Neben vielen anderen Bausteinen ist das Aufenthaltsstipendium ein nicht unwesentlicher Baustein unseres „Literatur am Kirchturm“-Programms. Dadurch können Schriftstellerinnen und Schriftsteller ihre kreativen Tätigkeiten ohne Einsatz eigener finanzieller Mittel bei uns im Literaturhotel in Hinterthiersee ausüben.
Die erste Preisträgerin dieses „Writer-in-residence“- Programms war Carolina Schutti, die im September 2015 für vierzehn Tage bei uns wohnte und an Ihren neuem Buch ungestört arbeiten konnte.
Wir haben die Zeit mit Carolina Schutti intensiv erlebt, ihre Achtsamkeit, ihr stilles Beobachten, ihren siebten Sinn, ihr Frau-Sein und noch mehr ihr Mutter-Sein. Diszipliniert wie sie nun bald ist, hat sie sich im Juffing „die Seele vom Leib geschrieben“, und wir können es kaum erwarten, bis ihr neues Buch endlich erscheinen wird. Wir freuen uns sehr darauf und sind ganz sicher, dass sie den zweiten Stipendiaten mit viel Bedacht und sicherer Hand ausgesucht hat. Dabei war von Anfang an mit den Autoren abgemacht, dass wir den ersten Stipendiaten aussuchen und danach die einzelnen Preisträger selbst den Nachfolger bestimmen. Carolina Schutti hat sich für einen waschechten Tiroler entschieden, der bereits im Jahr 2014 bei uns gelesen hat und dessen Lyrik uns damals so schwer beeindruckt hat.
Carolina Schutti lebt mit ihrem Sohn und ihrem Mann in Innsbruck und mailt uns ihre Juffing-Eindrücke auf der Zugfahrt nach Hause:
„Den Fuchs werde ich nicht los, seine Augen nicht, sein Fell, das ganz weiß aussah im Scheinwerferlicht. Und die Geschichte werde ich nicht los, die am Fuchs hängt, an der Straßenkehre, am Beifahrersitz, auf dem ich dich zu sehen glaubte. Du hast dich in mir eingenistet, für immer, habe ich damals geschrieben, und diese Geschichte war ganz klein, ein Gerüst nur, mehr nicht. Ich muss den Faden wieder aufnehmen, ich werde am Anfang beginnen und – Dass meine Mutter eine Mörderin sei, hätte ich sagen können. Aber so einfach war es nicht.
Dass ich nicht daran glauben konnte, eine Liebe könne wachsen, wenn man einen künstlichen Nullpunkt erschaffe, als hätte es vor diesem kein Leben gegeben. Das hätte ich sagen können.
Eine Geschichte über Macht- und Ohnmachtsverhältnisse hätte dies werden können, nur, dass ich nicht länger eine Ohnmächtige sein wollte, eine Mächtige aber auch nicht. Ein Zwitterwesen mit Flügeln vielleicht, das sich nicht festlegen musste auf eine Art des Seins.
Wir möchten an rote Fäden glauben, weil sie den Weg vorgeben. Weil man sich an ihnen festhalten kann, weil man glaubt, dadurch nicht verloren gehen zu können. Doch rote Fäden sind kein Handlauf und mir stellt sich die Frage, ob man nicht mehr zu sehen bekommt, wenn man sie nicht ergreift und sich stattdessen auf ein Abenteuer einlässt.“
MIT DIESEN ZEILEN BIN ICH GEKOMMEN UND MIT SO VIEL MEHR GEGANGEN.
Die Möglichkeit, in den zwei Septemberwochen einen ganz neuen Rhythmus zu finden und dem Schreiben – losgelöst vom Alltag – den Platz zukommen zu lassen, den es verdient, war ein Geschenk, das genau zur rechten Zeit kam. Lassen sie dich denn in Ruhe? Mehr als einmal hörte ich diesen Satz, wenn ich von meinem Schreibaufenthalt erzählte, diese Frage kam vor allen anderen, wohl deshalb, weil Schreiben und Ruhe für viele unbedingt zusammengehören (auch für mich), das Leben von Autorinnen und Autoren außerhalb des eigentlichen Schreibens hingegen oft von Unruhe geprägt ist, vor allem, wenn man sich als solche/als solcher nach außen präsentieren muss.
Von Müssen war hier jedoch nie die Rede, im Gegenteil: Dieses neue Projekt der Familie Juffinger-Konzett ist tatsächlich eine einzige Einladung, bestimmt von ehrlicher Freude seitens der Gastgeber, einer schönen Bücherumgebung und so vielen Kleinigkeiten, die von Achtsamkeit zeugen, von Aufmerksamkeit und Wertschätzung gegenüber Buch und Mensch.
Ein Dürfen also – so etwas ist nicht leicht zu finden und umso glücklicher darf ich mich schätzen, die erste Stipendiatin des Writer-in-Residence-Programms gewesen zu sein, das sich hoffentlich schon bald etablieren wird als eines, auf das man sich wirklich, aus ganzem Herzen, freuen kann ...
Bild oben:
Carolina Schutti – erster Gast des
Writer-in-Residence-Programms
Lesen ist ein großes Wunder, meinte Marie von Ebner-Eschenbach.
Der Buchmarkt steckt in einer Krise. Strukturelle Veränderungen wie die Digitalisierung erschüttern Verlage und Buchhandlungen und feuern den Sinkflug des Umsatzes mit gedruckten Büchern weiter an. Nun könnte man einwenden, dass digitale Bücher den Abwärtstrend aufhalten, die Zahlen zeigen aber ein anderes Bild. Nur noch jeder Fünfte liest, glaubt man den aktuellen Statistiken. Bücher liegen im Ranking der Freizeitbeschäftigungen auf einem „guten vierzehnten Platz“, weit abgeschlagen hinter Kuchen essen und Ausschlafen. Und dann machen wir im Juffing: ausgerechnet Literatur!
Gemeinsam mit unseren Gästen veranstalten wir Lesungen, die mehrmals im Jahr stattfinden. Im Anschluss an die Lesung wird diskutiert und philosophiert. Ein ganz großes Erlebnis war u. a. die Lesung mit Robert Menasse, einer der bekanntesten zeitgenössischen Schriftsteller Österreichs und sicherlich einer mit den meisten Auszeichnungen.
Bild:
Robert Menasse privat
Er hat unter anderem den Heinrich-Mann-Preis, den Max Frisch-Preis und den französischen Ordre des Arts et des Lettres erhalten. Im Oktober 2017 wurde er mit dem Deutschen Buchpreis ausgezeichnet. Sein Europaroman „Die Hauptstadt“ steht natürlich in unserer Bibliothek und wir freuen uns sehr, dass Robert Menasse bei uns zu Gast war.
Es gibt ein jährliches Literaturstipendium und regen Kontakt zu den Autoren und Literaturagenten, die mittlerweile auch privat bei uns ihre Ferien verbringen. Unsere Bibliothek wird gehegt und gepflegt und halbjährlich mit den aktuellsten Neuerscheinungen bestückt. Bücher sind einfach unsere Welt, und das Verweilen und Abtauchen in die Welt der Bücher gehört für uns zu Tiefenentspannung und Wohlgefühl unbedingt dazu. Dem intensiven Gefühl, stundenlang umgeben von Büchern in diesen zu stöbern und zu blättern, kann kein Online-Shop gerecht werden und unsere Spa-Bibliothek gehört zu den gemütlichsten Verweilorten im ganzen Hotel. Es gibt keinen Kaufzwang, man schmökert unbekümmert, um am Ende mit einem völlig anderen Buch, als man eigentlich gesucht hatte, ins Zimmer zu schlendern.