Zeichnung von Kathi und Hans Stix
Schnaps brennen

Wenn sich ein Steirer in eine Tirolerin verliebt.

Endlich ein waschechter Steirer in der Verwandtschaft! Das war wirklich ein Segen und eine Freude, noch dazu, wo der Onkel so gut Schnaps brennen konnte.

Eine kleine Geschichte über eine Schnapsbrennerei in Hinterthiersee

In mächtiger Ahornbaum ragt gegenüber der Kirche von Hinterthiersee in den Himmel. Breit fächert er seine Äste aus, just da, wo man in die Auffahrt zum Hotel Juffing schwenkt. Ende der sechziger Jahre tuckerte dort ein klappriger Lieferwagen mit steirischem Kennzeichen hinauf. Hans Stix saß am Steuer. Kisten voller gschmackiger Äpfel wollte er an den Mann bringen. Das sollte keine Kunst sein in dieser bergigen Tiroler Ecke, in der kaum handgroße Früchte wachsen! Mit der Bäuerin und Wirtin Maria Juffinger wurde der kernige Obstfahrer handelseins, Augen hatte er aber nur für deren Tochter, die Kathi! »Ich stand da in meiner Arbeitsschürze«, erinnert sich Kathi Stix heute. Ihrem Charme tat dies keinen Abbruch. Immer öfter führte die Handelstour von Hans aus der Oststeiermark ausgerechnet über die lang gestreckten Hügel von Hinterthiersee. »Manchmal hat er sogar übernachtet«, schmunzelt Kathi.

Teil einer Holztür, daran ein Schild das Schnapsbrenner sagt

Wo die Liebe hinfällt …

1971 wurde geheiratet, 1972 legten Kathi und Hans die Grundmauern ihres Hauses in Vorderthiersee. Der hochgewachsene Naturbursch, dem alle Liebe seinem Obstgarten in der Steiermark galt, der mit Inbrunst von Apfelsorten, Quitten, Trauben und Hirschbirnen schwärmte, schlug also in Tirol Wurzeln. Zwar an einem idyllischen Flecken, doch mit der Fruchtpracht seiner Heimat nicht zu vergleichen. Den Obstanger am elterlichen Bauernhof von Kathi, dem »Moarhof«, brachte er nicht auf Vordermann. »Das wär ja die reinste Konkurrenz geworden«, lacht Hans verschmitzt. Eine der Hoftraditionen übernahm er aber quasi vom Fleck weg: das Schnapsbrennen. Im Brennkeller des Privathauses weist er heute auf eine sonderbar geformte Kupferhaube mit zwei langen, spitz zulaufenden Schnabelröhren. Daraus tropfte damals im Moarhof das wertvolle Destillat; schon vor vierzig Jahren in einer Güte, die weitum nicht zu finden war!

Hochgeistiges aus edlen Früchten

Die Kunst, aus sonnenreifen Früchten aromatische Brände zu ziehen, beherrscht das Ehepaar Stix exzellent. Kathi, weil von Kindesbeinen an mit Landwirtschaft und Obstbau tief verbunden; Hans, weil ihm nach 37 Jahren als Obsthändler »fruchtmäßig« niemand ein X für ein O vormachen kann. In der Pension findet er endlich Zeit für hochgeistige Variationen, brennt edle Schnäpse sortenrein und tüftelt am perfekten Aroma. Das Abtrennen des »goldenen Mittelstückes« gelingt nur mit feiner Kennernase. »Da frage ich schon manchmal meine Gattin um Rat«, bekennt er. Zahlreiche Auszeichnungen der Tiroler Schnapsprämierung oder der international bekannten »Destillata« zeugen von der Spitzenqualität der Stix-Produkte. Die Prüfung zum Edelbrand-Sommelier legte er übrigens auch ab. Den eigenen Obstgarten in der Steiermark pflegt inzwischen der Bruder. Hans sieht jedoch auch dort gerne nach dem Rechten, denn das Reisen steckt dem Steirer wohl im Blut.

Die Fruchtlieferung ins Juffing

Maria Juffinger hatte einst viele Kisten steirischer Äpfel gekauft – Glück für Hans und Kathi. Mehr als vierzig Jahre später lenkt Hans wieder seinen Lieferwagen am Ahornbaum vorbei zum Juffing-Eingang. Er liefert Stix-Edelbrände. Nun kauft Enkelin Sonja Juffinger für ihre Gäste ein; anstatt der Äpfel Frucht im Glas. Sie wiegt nicht so schwer, schmeckt aber ebenso wunderbar und belebt die Sinne.

Onkel Hans

Unser Onkel Hans wohnt am Thiersee. Wenn er zum See hinuntergeht, mischt sich das Aroma von Fichtennadeln mit dem Geruch von feuchten Blättern, manchmal riecht es nach Schilf, nach Harz, nach Wiesenkräutern – und dann leuchten auf einmal winzige, intensiv rote Himbeeren aus dem Gestrüpp auf. Alle diese Aromen verarbeitet er zu preisgekrönten Destillaten.

Hans Stix verkostet Schnaps

Onkel Hans zaubert mit seiner Gattin Kathi edelste Brände und hat enormen Ehrgeiz entwickelt, seine Brennküste Jahr für Jahr weiter zu verfeinern. Onkel Hans kann auf hochwertige, national preisgekrönte Destillate verweisen und ist ein durch und durch optimistischer Mensch. Erst letztes Jahr erwarb er eine Wiese neben seinem Haus und pflanzte Vogelbeerbäumchen, die in 20 Jahren das erste Mal reiche Frucht tragen. Der Hintergedanke war, dass die hohen Bäume auf der Ackernalm zu gefährlich für Tante Kathi, waren und so sollten es kleinere Bäumchen sein, um besser hinaufsteigen zu können. Auf die Frage, warum er sich das alles in seinem Alter antut, schaute er uns wenig interessiert an: „Warum denn nicht?“, meinte er und wandte sich achselzuckend seinem Brennkessel zu.

Dr. vogelbeere

Der echte Vogelbeerschnaps ist Medizin

Die gefiederten Freunde schnabulieren im Herbst mit großer Wonne die leuchtend roten Beeren. Daraus leiten Tiroler Bauern ab: Vogelbeeren sind gesund. In der Tierheilkunde helfen sie gegen Ziegen- und Schweinekrankheiten. Dem Menschen verabreichte man von alters her Vogelbeeren als Marmelade, Gelee, Mus und Saft. Sie alle sind ein wertvoller Vitamin-C-Spender. Dazu kamen Tees und getrocknete Beeren sowie der Aufguss von Blüten. In seiner Publikation zur Pharmazie und Medizin (Bayerische Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft) hält Klaus Storm fest: »Von alters her werden Vogelbeeren und deren Zubereitungen bei Nierenerkrankungen, Neigung zu Nierensteinbildung, Diabetes, Rheumatismus, Störungen des Harnsäurestoffwechsels und der Harnsäureausscheidung, bei Katarrhen und Erkältungserkrankungen, inneren Entzündungen, Skorbut und Menstruationsbeschwerden, zur Alkalisierung des Blutes, zur Stoffwechselförderung und zum Gurgeln bei Heiserkeit angewandt; wissenschaftlich nachgewiesen sind diese Wirkungen nicht.« Der Volksmund behauptet, ein echter Vogelbeerschnaps sei »mehr als Medizin«. Nun, ein Gaumengenuss ist er allemal.

Ein Vogel isst Beeren vom Baum
Zeichnung eines Obstbaumes, Früchten und Schnapsflaschen

Viel Müh um  die adrette Beere

Die Früchte der Eberesche (Sorbus aucuparia, L.) verarbeitet man in Tirol, Salzburg und der Steiermark traditionell zu Schnaps. Trotz vieler beherzter Hersteller und vieler Liebhaber – Vogelbeerschnaps ist eine Rarität! Die Herstellung ringt dem Brenner einige Mühen ab. Waghalsig ist mitunter der »Erntegang« auf hohe Bäume. Die Früchte müssen von den gepflückten Dolden getrennt werden, denn deren Stiele enthalten Bitterstoffe. Solcherart handverlesene Früchte werden gereinigt und landen im Maischebehälter. Durch Gärung wandelt sich der Zucker der Früchte in Alkohol um – allerdings nicht ohne Gegenwehr. Die Vogelbeere enthält den natürlichen Konservierungsstoff Sorbinsäure und dieser bremst die Entwicklung der Hefen im Gärfass. Viel Erfahrung und exakte Beobachtung sind ein Muss. Auch die nun folgenden Arbeitsschritte bis zum fertigen Edelbrand verzeihen keine Fehler. Es verwundert daher nicht, dass ein echter »Vogelbeerler« seinen Preis hat.

Wildfrucht aus dem Thierseetal

Kathi und Hans Stix füllen jedes Jahr das »rote Gold« in ihre Glasgebinde. Der Stix-Vogelbeer genießt einen besonderen Ruf. Die beiden Experten setzen nämlich auf den reinen »Wildbrand«. Ihre Früchte stammen ausschließlich von der wild wachsenden Eberesche. Vogelbeeren aus Obstkulturen würden weit mehr Ertrag im Brennvorgang liefern, jedoch schmälert dies das Aroma. »Wenn schon Vogelbeerler, dann pure Wilde«, scheint das Stix-Motto zu sein.